Wirtschaftsjournalismus: Finanzen, Märkte, Innovation |

Hier finden Sie einige Beispiele aus dem Bereich des Wirtschaftsjournalismus.
Das Spektrum der Themen reicht von Aufbau Ost bis Zocker am Finanzmarkt.
Die meisten Texte richten sich jedoch an den Leser von Börsenmagzinen,
Finanzportalen für Endkunden (Konsumentenkredite und Anlage) sowie
Entscheidern in der Finanzwirtschaft (Basel II, SWIFT).
Diese Texte sind nur bedingt für eine Zweitverwertung zu nutzen. Fragen zur
Veröffentlichung oder Themenvorschlägen beantworten wir Ihnen gerne.

Private Equity: Kreative Kapitalgeber |

Sie sind milliardenschwer, kaufen gerne deutsche Firmen und verändern
die Unternehmenslandschaft: Der Einfluss von Beteiligungsgesellschaften
wächst mit jedem Betrieb, den sie übernehmen. Private Equity- Investoren
kaufen, filetieren und verkaufen Firmen – weshalb ihr Image schlecht ist.
Doch in einigen Fällen sind sie Retter in der Not. Haben Firmenlenker ihre
Vorurteile überwunden, profitieren beide Seiten vom Geschäft.
Eine bläuliche Glasfassade, lichtdurchflutete Foyers und großzügig gestaltete
Besprechungsräume – das Congress Center der Frankfurter Messe steht für
Transparenz. Doch der Schein trügt: Hinter verschlossenen Türen fand vom 20. bis
23. Februar die größte Private-Equity Konferenz in Europa statt. Die
Spitzenmanager trafen sich zum Super Return – der Leitmesse für
Beteiligungsgesellschaften. Während die Frankfurter Hausherren zu jeder
Buchmesse im Rahmen einer Pressekonferenz wirtschaftliche Hintergründe
beleuchten, hatten sie zu einem der wichtigsten Themen wenig zu sagen. „Für so
etwas ist wie üblich der Veranstalter verantwortlich“, so eine Pressesprecherin. Der
britische Veranstalter und die teilnehmenden Private-Equity Gesellschaften hielten
sich hingegen wie üblich bedeckt – ein Kamingespräch sollte genügen. Nur wer
mehrere tausend britische Pfund zahlte, konnte das ganze viertägige Programm
verfolgen. „Die Heuschrecken, die hier gerne viel Geld verdienen, wollen unter sich
bleiben“, kommentierte die Börsenzeitung und ergänzte: „So entsteht leicht der
Eindruck, die Finanzinvestoren hätten etwas zu verbergen“. Tatsächlich war der
Super Return ein verschwiegenes Elite-Treffen: David Rubenstein, Gründer von
Carlyle, war da. Henry Kravis, Gründungspartner von Kohlberg Kravis Roberts
(KKR), kam eingeflogen. Auch Apax-Chef Martin Halusa, David Bonderman,
Gesellschafter der Texas Pacific Group, Steve Schwarzman – Chef der Blackstone
Group – und Damon Buffin von Permira standen auf der Gästeliste. Zum Auftakt
trafen sich die rund 1500 Teilnehmer zum „German Summit Day“, denn der
deutsche Markt gilt zurzeit als einer der besten weltweit: Viele mittelständische
Unternehmen und Konzerntöchter mit hervorragender Marktposition brauchen
frisches Kapital – das Investoren gegen eine Beteiligung gerne zur Verfügung
stellen.
Die derzeit wichtigsten Drahtzieher der Finanzwelt bewegen sich
bewusst geräuschlos und üben selbst auf
Mammutveranstaltungen wie dem Super Return Diskretion. Dabei
nimmt ihre Bedeutung stetig zu: Der Boom im Beteiligungsmarkt
hält an und die Investoren verfügen über mehr Geld als je zuvor
– so das Fazit nahezu aller Erhebungen verschiedener
Branchenverbände, Forschungsinstitute und
Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Laut einer Umfrage von KPMG
unter 146 Entscheidern der Branche wird vor allem die Zahl
kleinerer Übernahmen mit einem Volumen von bis zu 150
Millionen Euro in diesem Jahr weiter zunehmen. „Die lang
ersehnte Erschließung des Mittelstands beflügelt die Private
Equity-Branche“, so Martina Ecker, Partnerin im Bereich Advisory
von KPMG. Keine negativen Spuren hinterlassen hat aus Sicht der
Investoren die Heuschrecken-Debatte – die Geschäfte laufen trotz
öffentlicher Kritik auf Hochtouren. Bereits im vergangenen Jahr hat die
Private Equity-Branche so viel Kapital in Deutschland investiert wie nie zuvor. Laut
einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ist das
Investitionsvolumen im Vergleich zum Vorjahr um 26 Prozent gestiegen, von rund
24 Milliarden auf knapp 30 Milliarden Euro. Dafür nennen sie mehrere Gründe:
„Während es für Investoren immer schwieriger wird, in den USA oder
Großbritannien attraktive Unternehmen zu finden, gibt es in Deutschland immer
noch eine Vielzahl von interessanten Firmen“, sagt Wolfgang Taudte, Partner bei
Ernst & Young. Zudem steige die Akzeptanz von Private Equity als
Finanzierungsinstrument stetig. „Immer mehr mittelständische Unternehmen, die
vor schwierigen Finanzierungsrunden stehen, setzen auf Private Equity", sagt
Taudte. „Oft finanzieren Beteiligungsgesellschaften Projekte, für die Banken keinen
Kredit gewähren würden.“ In vielen Fällen seien Investoren deshalb auch Retter in
der Not. Ideal für beide Seiten sei die Konstellation, wenn ein Unternehmen
frisches Kapital für seine Expansion benötige. In solchen Fällen sei ein
finanzstarker Investor oft willkommen.
An Geld wird es auch in Zukunft nicht mangeln, denn die Fonds der Finanziers
werden immer größer: Die Beteiligungs-Manager sammeln Kapital
beiinstitutionellen Investoren ein – meist Pensionskassen, Versicherungen oder
Banken aus den USA – bei den weltweit größten Private Equity-Fonds sind das bis
zu zehn Milliarden Euro. Dieses Geld ist für fünf bis zehn Jahre fest angelegt. Den
Anlegern versprechen die Fondsverwalter jährliche Renditen von bis zu 25 Prozent.
Allein europäische Pensionskassen, Versicherungen und Banken werden nach einer
Umfrage der Unternehmensberatung Mackewicz & Partner in den nächsten vier
Jahren 130 Milliarden Euro für Beteiligungen an nicht börsennotierten
Unternehmen in Europa zur Verfügung stellen. Nicht mitgerechnet das
amerikanische Geld: Insgesamt lag der Wert der Private Equity Transaktionen in
Europa nach Berechnungen der britischen Marktforscher von Mergermarket allein
im Jahr 2005 bei 134 Milliarden Euro. Branchenschätzungen zufolge steuert die
Zunft der Beteiligungsmanager weltweit bereits rund 1,3 Billionen Dollar um den
Erdball – und ein Ende dieses Geldstroms ist nicht in Sicht.
Mit diesem Kapital mischen die Investoren die deutsche Unternehmenslandschaft
auf. Häufig geraten dabei Tochtergesellschaften von Konzernen in die Hände der
Finanziers: Wenn sich Großunternehmen auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren,
verkaufen sie Beteiligungen. So steht zum Beispiel die VW-Tochter Europcar zum
Verkauf. Volkswagen will sich im Zuge seines Sparkurses von Europas größtem
Autovermieter trennen – die Frist für Gebote war Ende Februar abgelaufen. Mit der
Transaktion vertraute Kreise berichten, dass sieben Interessenten an der
Ausschreibung teilnehmen – darunter auch Cerberus und die Gesellschaft Apax, die
gemeinsam mit Sixt ein Angebot abgegeben hat. Aber das ist nur ein Beispiel von
vielen: Die Unternehmen MTU Friedrichshafen, Viterra und Grohe gingen im
vergangen Jahr an Investoren. Im Februar von seiner italienischen
Muttergesellschaft verkauft worden ist das deutsche Modehaus Jil Sander. Derzeit
heißester Übernahmekandidat aus dem Mittelstand soll der
Modelleisenbahnhersteller Märklin sein – das Unternehmen hat eine Marke mit
Kultstatus und schätzungsweise 60 Millionen Euro Schulden, die größten
Gläubiger sind die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die
Kreissparkasse Göppingen.
Insgesamt sind die Finanzinvestoren nach Angaben des Bundesverbandes
Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) hier zu Lande bereits an rund
5.700 Unternehmen mit fast 800.000 Mitarbeitern beteiligt und erwirtschaften 170
Milliarden Euro – was rund acht Prozent des Bruttosozialprodukts entspricht.
„Private Equity hat einen maßgeblichen Anteil am wirtschaftlichen
Erfolg zahlreicher deutscher Unternehmen und trägt damit
erheblich zum volkswirtschaftlichen Wachstum bei“, so Holger
Frommann, Geschäftsführer des BVK. Ein wichtiger Punkt sei,
dass immer mehr Unternehmer ihre Finanzierungsstrategien neu
überdenken und dabei auch alternative Instrumente einbeziehen
würden – wozu auch Private Equity gehöre. Zwei Studien des BVK
und der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC)
kommen zu dem Ergebnis, dass viele Firmenlenker kaum noch
Berührungsängste haben, was Finanzinvestoren betrifft: Über 90
Prozent der befragten Unternehmen schätzen die Private Equity
-Finanzierung als wichtig oder sehr wichtig für ihr
Unternehmenswachstum ein. Auch wenn die Studien nicht die
Stimmungslage des gesamten deutschen Mittelstands
repräsentieren, so neigen die meisten Unternehmer nicht dazu,
das Thema zu dramatisieren.
Dass sich Investoren an Unternehmen beteiligen, ist für Wolfgang Gerke „völlig
normal“. „Diese Entwicklung kann man gut oder schlecht finden, aufzuhalten ist sie
nicht“, so der Professor für Bank- und Börsenwesen an der Universität
Erlangen-Nürnberg. Er betrachtet die Diskussion um Firmenübernahmen
gänzlich leidenschaftslos. Dass Arbeitsplätze ins Ausland verlagert würden, habe
nichts mit fremden Investoren zu tun, sondern mit betriebswirtschaftlichen Fakten:
Wer zu teuer produziere, könne sich im Wettbewerb nicht behaupten.
„Unternehmen öffnen sich Investoren, weil sie unter Druck stehen oder wachsen
müssen – aber keinen Kredit bekommen“, sagt Gerke. Beteiligungskapital sei ein
normales Instrument der Unternehmensfinanzierung und stehe nicht in Konkurrenz
zum Kredit, sondern sei nur eine Ergänzung. „Das Kreditgeschäft kann durch
Investoren, die Unternehmen zu neuem Wachstum verhelfen, sogar gestärkt
werden“, meint Wolfgang Gerke. Das Image der Firmenjäger hat sich entsprechend
der zunehmenden Bedeutung für die Finanzierung verbessert. „Blackstone kauft
gerne Firmen, die gut dastehen und durch unseren Beitrag neue Perspektiven
bekommen“, sagt Hanns Ostmeier, Geschäftsführer der US-Gesellschaft in
Deutschland. Die Geschäftspolitik folge dem Motto des Blackstone-Gründers Steve
Schwarzman: „We only do friendly deals.“
Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn sieht Beteiligungskapital auch
deshalb im Aufwind, da die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen mit
durchschnittlich weit unter 15 Prozent sehr dünn ist. „Mit Private Equity setzt sich
ein Trend durch, der in angelsächsischen Ländern längst Fuß gefasst hat“, sagt
Guido Paffenholz, Finanzexperte des IfM. „Die deutschen Unternehmen benötigen
in Zukunft eine bessere Eigenkapitalausstattung, um im Wettbewerb bestehen und
Kredite zu günstigeren Konditionen aufnehmen zu können“, so Paffenholz. Dabei
sollte die Bedeutung von Private Equity für mittelständische Unternehmen jedoch
nicht überschätzt werden. Traditionell spielen Finanzinvestoren und der
Kapitalmarkt für den Mittelstand kaum eine Rolle, was die
Unternehmensfinanzierung betrifft. Laut einer Studie des IfM bestreiten die meisten
inhabergeführten Unternehmen ihre Investition aus einbehaltenen Gewinnen.
Sofern dies nicht möglich ist, greifen sie auf Kredite zurück, die sie meistens bei
ihrer Hausbank beantragen. Weit abgeschlagen rangieren dagegen alternative
Finanzierungsformen auf den hinteren Plätzen. „Nur für einen Bruchteil aller
mittelständischen Unternehmen ist Private Equity eine Alterntive zum Kredit“, sagt
Paffenholz. Die meisten Firmen seien zu klein oder wiesen zu wenig
Wachstumsphantasie auf. Zudem würden viele Unternehmer lieber auf fremde
Gesellschafter und deren Geld verzichten.
Voraussetzung für den Verzicht ist jedoch, dass sie nicht darauf angewiesen sind:
Ein typischer Fall für Investoren sind Nachfolgeregelungen in
mittelständischen Firmen.
Zwar beherrschen gemessen am Transaktionsvolumen amerikanische und englische
Beteiligungsgesellschaften wie KKR, Apax oder Carlyle den Markt, doch
engagieren sich auch Sparkassen und Landesbanken mit eigenen Gesellschaften in
diesem Segment. Rund 80 Beteiligungsgesellschaften gehören zur Sparkassen
-Finanzgruppe. So ist die 1996 gegründete Nordholding in Hannover eine der
ältesten und größten Beteiligungsgesellschaften der Gruppe. Sie ist eine
Tochtergesellschaft der NordLB und der Bremer Landesbank sowie verschiedener
Sparkassen und öffentlich-rechtlichen Versicherungen. Insgesamt hat die
Nordholding rund 250 Millionen Euro in 57 Beteiligungsunternehmen investiert.
Wichtigster Unterschied zu den angelsächsischen Investoren ist, dass die
Beteiligungen nicht aus Mitteln geschlossener Fonds finanziert werden, sondern
ausschließlich von den Gesellschaftern. „Wir können uns Zeit nehmen und
langfristige Partnerschaften eingehen, einige Unternehmen haben wir seit fast 30
Jahren im Portfolio“, sagt Matthias Kues, Sprecher der Geschäftsführung der
Nordholding. Wobei auch hier eine gute Rendite das Ziel einer jeden Beteiligung
sei; in diesem Punkt unterscheide sich eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft nicht
von anderen Finanziers. Doch ohne den Druck von Anlegern, die spätestens nach
acht Jahren ihr Kapital inklusive einer vorab festgelegten Verzinsung wieder
ausgezahlt haben wollten, habe die Nordholding ganz andere Möglichkeiten und
müsse keine Beteiligung zu einem schlechten Zeitpunkt um jeden Preis verkaufen.
Dies sei auch besser für die Unternehmen. „Zwar sieht sich jeder Investor als
Partner seiner Beteiligungsgesellschaften, doch die Qualität der Partnerschaft stellt
sich erst nach ein paar Jahren heraus – ganz wie in jeder normalen Ehe. Gute Ehen
halten lange, schlechte Ehen enden mit einer schnellen Scheidung“, beschreibt Kues
den feinen Unterschied zwischen verschiedenen Investoren. Genau hier sieht er den
Vorteil der Nordholding, die sich an Unternehmen mit mindestens 20, maximal
jedoch 500 Millionen Euro Umsatz beteiligt. Für solche mittelständischen Betriebe
seien Beteiligungsgesellschaften der Sparkassen-Gruppe der bessere Partner, so
Kues. Gute Chancen für Neugeschäft sieht er vor allem in zwei Bereichen: dem
Generationenwechsel im Mittelstand und dem Verkauf von Konzerntöchtern.
„Jedes Familienunternehmen wird irgendwann mit der Frage konfrontiert, ob es in
der Familie geeignete Führungskräfte für die Zukunft gibt“, beschreibt Kues. Um
von dieser Entwicklung zu profitieren, sollten Sparkassen das Gespräch mit
potenziellen Kunden suchen und ihre guten Kontakte zu Unternehmen in jeder
Region nutzen. „Besonders wenn es um alternative Finanzierung, Eigenkapital,
Nachfolge und Verkauf geht, ist der Vorstand der Sparkasse gefragt – nicht der 28
-jährige Firmenkundenbetreuer, der von einem gestandenen Unternehmer in solchen
Fragen nicht ernst genommen wird“, sagt Kues. Auch das Gespräch mit
Tochterunternehmen von Konzernen sollten Vorstände suchen. „Viele so genannte
Randbereiche stehen zum Verkauf. Auf diese Weise entstehen neue mittelständische
Unternehmen, die für Sparkassen neue Zielkunden sind“, erläutert Kues. „Die
Nordholding erwirbt diese gemeinsam mit den Geschäftsführern – so werden
Manager zu Unternehmern.“
Langfristige Partnerschaften, regionale Nähe und gute Kontakte zu
mittelständischen Unternehmen, mit diesen Vorteilen können die öffentlich-
rechtlichen Beteiligungsgesellschaften punkten. Denn die Heuschrecken werden
von Pensionsfonds und institutionellen Investoren getrieben: Sie müssen immer
schneller immer höhere Renditen erzielen. Für sie ist Deutschland nur mittelfristig
einer der lukrativsten Private Equity Märkte. Ein Boom, wie er jetzt stattfindet, ist
niemals von langer Dauer. Schon in wenigen Jahren wird Private Equity eine
normale Finanzierungsform sein und der Markt wird dann aus Sicht der Investoren
nicht mehr als unterwickelt gelten – wie es heute noch der Fall ist. Doch wenn das
Potenzial nach oben fehlt, sinken die Renditen. „Wenn wir in Deutschland fertig
sind, ziehen wir zu neuen Ufern nach Osteuropa, Indien und später auch China“,
sagt ein Finanzmanager, der nicht genannt werden will. Denkbar sei durchaus, dass
der Super Return im Jahr 2012 in Peking oder Hongkong stattfinde – dann ist
Frankfurt und der „German Summit Day“ längst vergessen.
(erschienen in "Sparkasse - Managermagazin der Sparkassen Finanzgruppe" 10/2006")  |